EU-Projekt:
Bürger aus den Benelux-Staaten
als NS-Verfolgte im Zuchthaus Hameln 1942-1945
 

Ausstellungseröffnung in Hameln

 

(DeWeZet Seite 14)

HAMELN Freitag, 20. Juni 2014

Nach 70 Jahren Schritte zur Erinnerung

Ausstellung im Münster eröffnet /
Kultusministerin Frauke Heiligenstadt
würdigt bundesweit einzigartige Datenbank

 

VON WOLFHARD F. TRUCHSEß

Hameln. „Unsere heutige Veranstaltung kommt leider – man muss es so drastisch sagen – 70 Jahre zu spät.“ Hamelns Oberbürgermeisterin Susanne Lippmann fand zur Eröffnung der Ausstellung „Schritte zur Erinnerung nach 70 Jahren“ im Münster klare Worte für die Versäumnisse der vergangenen Jahrzehnte, der während der NS - Zeit im Zuchthaus und auf den Todesmärschen Verstorbenen zu gedenken. Kaum noch etwas erinnere an die Zuchthausgebäude. „Von den Mauern, in denen düstere deutsche Geschichte geschrieben wurde, stehen nur noch Reste.“ Es ist das Verdienst der beiden Historiker Bernhard Gelderblom und Mario Keller - Holte, dass die Opfer des verbrecherischen NS - Regimes jetzt dem Vergessen entrissen werden.

Etwa 10 000 Häftlinge durchliefen von 1933 bis 1945 das Hamelner Zuchthaus, ab 1942 waren es zunehmend Menschen aus Frankreich und den Benelux - Staaten, die Widerstand geleistet oder gegen Sondergesetze verstoßen hatten.

Gelderblom und Keller-Holte ist es zu verdanken, dass mittlerweile eine Datenbank existiert, die Auskunft über das Schicksal von 9600 Gefangenen gibt. Exemplarisch haben die beiden Historiker jetzt in 18 - monatiger Arbeit eine Ausstellung zusammengestellt, welche die Schicksale der vier Niederländer Piet Mattjissen, Marius Jonker Roelants, Sef va n Megen und Johannes Allers, jene der beiden Belgier Gustave Vandepitte und Ortar de Pauw sowie der Luxemburger Familie Schaeger stellvertretend für die anderen Opfer darstellt. In allen Fällen geht es um die Themen Verfolgung und Erinnerung.

Auch Kultusmi nisterin Frauke Heiligenstadt beklagte, dass es lange gedauert habe, „bis die deutsche Gesellschaft tatsächlich bereit war, sich dem Erbe dieser Zeit in allen Facetten zu stellen“. Viele Aspekte der NS - Geschichte seien immer noch nicht erforscht oder bekannt. Dass dank der Datenbank jetzt die Einzel - und Gruppenschicksale dokumentiert werden könnten, „das ist in dieser Form bundesweit einzigartig“.

Bewegende Ansprachen hielten der Niederländer Maarten Geerdes, der mit seiner Frau J oke und Jeanne Mooij für seinen Großvater Marius Jonker Roelants zu der Ausstellungseröffnung gekommen war, und Carla van den Hout. Vor allem Gelderblom galt der Dank von Geerdes. Er habe seiner Familie geholfen, das Schicksal des Großvaters aufzuklären, der am 1. Mai 1945, zwar schon von den Amerikanern befreit, in einem Hospital verstorben sei. Carla van den Hout, die mit ihrem Mann Kees für ihren Großvater Johannes Allers zum wiederholten Mal in Hameln weilt, war erst jüngst wieder auf seinen Spuren unterwegs – bei Ellrich an der niedersächsischthüringischen Grenze, wo Allers nach seiner Befreiung durch die Russen auf Schmugglerpfaden in den Westen flüchtete. Jeden Donnerstag um 16.30 Uhr gibt es eine Führung von Bernhard Gelderblom durc h die bis zum 31. Juli geöffnete Ausstellung, die auch in den Benelux - Staaten gezeigt wird.

 
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