EU-Projekt:
Bürger aus den Benelux-Staaten
als NS-Verfolgte im Zuchthaus Hameln 1942-1945
 

Piet Mathijssen
 

Der Film Nacht und Nebel
Het verhaal van mijn Opa (Die Geschichte meines Großvaters)
 

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Regie:                   Mehmet Ülger und Astrid van Unen
Herstellung:        U-producties, Amsterdam
Niederlande 2012
Deutsche Fassung 2013
Die deutsche Fassung wurde von der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten und dem Verein für regionale Kultur- und Zeitgeschichte Hameln finanziert.

 

Zum Film
Der 40 Minuten lange Film wurde 2012 von der Journalistin Astrid van Unen und dem Filmemacher und Kameramann Mehmet Ülger (beide Amsterdam) produziert.

Finanziert hat den Film die Gemeinde Roosendaal, NL.

Seine Uraufführung fand am 5. Mai 2012, dem Tag der Befreiung der Niederlande von der deutschen Besatzung 1945, in Roosendaal unter großer Anteilnahme der Bürgerschaft statt. Die vom Verein für regioanle Kultur- und Zeitgeschichte besorgte deutsche Fassung wurde am 12. September 2013 in Hameln in Anwesenheit von Piet Mathijssen uraufgeführt.

Der Film beruht auf den persönlichen Erinnerungen des niederländischen Widerstandskämpfers Piet Mathijssen und Recherchen in der Gedenkstätte Kamp Haaren in den Niederlanden. Informationen über das Zuchthaus Hameln, das Zuchthaus-Außenlager in Holzen bei Eschershausen und die Route des Todesmarsches Hameln-Holzen stellte Bernhard Gelderblom zur Verfügung.

Den roten Faden des Films bilden Gespräche zwischen Piet Mathijssen und seiner Enkelin Mare („Erzähl‘ mir, solange du es noch kannst.“). Gemeinsam reisten beide zu den Standorten von Großvaters Geschichte.

Der Film beginnt in Roosendaal und zeigt die Orte des Widerstands und der Verhaftung durch die deutschen Besatzer bei „Nacht und Nebel“.

Die zweite Station ist Kamp Haaren, das frühere Polizei- und Untersuchungsgefängnis der deutschen Besatzer, in dem Piet Mathijssen inhaftiert war und seinen Prozess erlebte.

Über die Verschleppung als „Nacht- und Nebel“-Gefangener nach Deutschland in die Zuchthäuser Anrath am Niederrhein und Remscheid-Lüttringhausen berichtet der Großvater seiner Enkelin während der Autofahrt in Richtung Hameln.

Hameln nimmt mit mehreren Stationen einen größeren Raum ein. Der Film zeigt Piet Mathijssen und seine Enkelin am Hauptgebäude des ehemaligen Zuchthauses (heute ein Hotel), an der Gedenktafel für die Toten am ehemaligen Zuchthausgelände und am Gräberfeld der Zuchthausopfer auf dem Friedhof Wehl.

Höhepunkt des Films ist die Fahrt von Großvater und Enkelin längs der 40 km langen Route des Todesmarsches von Hameln nach Holzen, mit einem Zwischenstopp an dem Ort, an dem die SS Piets Freund Sef van Megen erschoss, und mit einem Aufenthalt an dem damals nur mit äußerster Mühe erreichten Ziel, dem Gelände der Baracken des Zuchthaus-Außenlagers Holzen.

In die Handlung werden immer wieder ausgewählte historische Dokumente eingeblendet, am eindrucksvollsten die US-amerikanischen Filmszenen von der Befreiung des Lagers Holzen.

Informativ und emotional bewegend zeigt der Film am Schicksal von Piet Mathijssen den Leidensweg eines politischer Häftlings, der in die Fänge des deutschen Besatzungsregimes in den Niederlanden gerät, anschließend mehrere Stationen des NS-Strafvollzugs durchläuft und nur knapp mit dem Leben davonkommt.

Der Film ist auch wertvoll, weil er zwei relativ unbekannte Themen aufgreift, zum einen die NS-Gewaltherrschaft in den Benelux-Staaten, zum anderen das unmenschliche Verfolgungsschicksal, das Menschen in Zuchthäusern des NS-Regimes erlitten.

Der Film ist für die Bildungsarbeit an Schulen, Volkshochschulen, Gedenkstätten und ähnlichen Einrichtungen besonders geeignet.

 
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Piet Mathijssen – Als niederländischer „Nacht und Nebel“-Gefangener im Zuchthaus Hameln
 

Piet Mathijssen, geboren 1922 in Roosendaal, war während des Zweiten Weltkriegs im niederländischen Widerstand gegen die deutsche Besatzung aktiv. Nach einem Verrat nahm ihn am 23. Oktober1943 der Sicherheitsdienst der SS fest. Bei dem Prozess gegen insgesamt 45 Mitglieder seiner Organisation erhielt er die Todesstrafe, die zunächst ausgesetzt wurde.

Als „Nacht und Nebel“ (NN)-Gefangener kam er über die Zuchthäuser Anrath und Remscheid-Lüttringhausen am 2. November 1944 zusammen mit einem Teil seiner Widerstandsgruppe ins Zuchthaus Hameln.

Die Gruppe der Niederländer fand in Hameln viel Halt aneinander. Piet lernte Sef van Megen näher kennen. Beide waren katholisch. Die Gebete Sef van Megens gaben ihm die Kraft, auf die Befreiung zu hoffen.

Mit der Zeit wurde das Essen immer schlechter und es wurde trotz Winterskälte nicht mehr geheizt. Zwei Mitgefangene starben. Besonders der Tod von Jan Derks, an dessen Sterbebett Piet die ganze Nacht gewacht hatte, ist dem nunmehr 91-Jährigen (2013) noch heute sehr präsent.

Zu seinem Geburtstag am 26. Januar 1945 schenkte jeder Mitgefangene Piet ein Stückchen Brot. Er konnte sich kein größeres Geschenk vorstellen. Piet war mit der Zeit stark abgemagert und hatte die Krätze bekommen.

Am 3. April mussten sich die zum Tode verurteilten niederländischen NN-Gefangenen für einen Transport fertig machen. Es sollte nach Wolfenbüttel gehen. Die Häftlinge fürchteten diesen Transport, da sie wussten, dass dort eine Hinrichtungsstätte war. Weil an diesem Tage der Hamelner Bahnhof bombardiert wurde und keine Züge fahren konnten, fiel der Transport aus, zur übergroßen Erleichterung der Betroffenen.

Einen Tag später stellte die Zuchthausverwaltung aus Männern, die nicht in die Hände der Alliierten fallen sollten, erneut einen Transport zusammen. Am nächsten Morgen hieß es für 400 Häftlinge, die Hälfte der Belegschaft: „Fertig machen!“ Jeder bekam zwei dünne Scheiben Brot. Es begann ein Fußmarsch in das 40 km entfernte Zuchthaus-Außenlager Holzen, der zum „Todesmarsch“ werden sollte.

Unter der scharfen Bewachung von Justizpersonal und SS blieb die Marschkolonne anfangs so gut wie möglich zusammen. Piet ging inmitten einer Gruppe Niederländer. Nach ca. 25 km beim Dorf Wegensen konnte Sef van Megen vor Erschöpfung nicht mehr weiter. Die Gruppe musste ihn am Rand der Straße zurücklassen. Später erfuhr sie, dass SS den Sterbenden dort erschossen hat.

Die Männer zogen weiter, nass vom Regen, hungrig, aber doch vom Willen getrieben, das Lager Holzen zu erreichen – der tief erschöpfte Piet gestützt auf seine Leidensgenossen. Es war dunkel, als sie im Lager ankamen.

Am nächsten Tag herrschte nervöse Spannung. Wie werden sich die deutschen Bewacher verhalten? Die Amerikaner waren im Anmarsch. Tatsächlich setzten sich die Bewacher ab, ohne Untaten zu verüben.

Als die Befreier kamen, schaffte Piet es mit großer Mühe, sich von der Pritsche zu erheben, dem erstbesten Amerikaner um den Hals zu fallen und zu stammeln: „I am happy, happy!“ Piet wurde in einem Lazarett im nahen Eschershausen gepflegt und kam langsam wieder auf die Beine.

Nach dem Rücktransport in ein Lager für Heimkehrer in Nordfrankreich holte der Vater den immer noch Erschöpften am 2. Juni 1945 ab und brachte ihn zurück zu seiner Mutter und seinen Geschwistern nach Roosendaal.

Piet Mathijssen wurde Gemeindebeamter in Roosendaal, heiratete, hatte mit seiner Frau Truus fünf Kinder und ist inzwischen vielfacher Großvater.

Zusammengestellt aus Dokumenten und Interviewaussagen von Bernhard Gelderblom, Hameln, Juli 2013

 
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